

Große Aufregung im Vertrieb: Ein Lieferant hat bei der Diskussion eines Forecasts „nebenbei“ mitgeteilt, dass er in 6 Monaten sein Werk schließen und sich in den Ruhestand verabschieden wird.
Das kann doch nicht sein, der kann doch unsere Kunden und uns nicht einfach hängenlassen. Trapattoni würde sagen: Was erlauben?
Betriebsschließungen sind aktuell ein Thema von hoher Bedeutung, weil gerade viele mittelständischen Zuliefer-Betriebe aufgeben bzw. wegen Nachfolgermangel nicht fortgeführt werden. Und die Kunden haben dann das Nachsehen, wenn die Lieferungen nicht gesichert sind.
Dieses Beispiel zeigt, warum Bestellungen allein im Serieneinkauf nicht ausreichen und Rahmenverträge keine unnötige Bürokratie sind. Das heißt nicht, dass Rahmenverträge in eine Papierschlacht ausarten müssen. Die Kunst besteht nämlich darin, alles Wichtige möglichst „schlank“ zu regeln.
Aber wir haben doch zu unseren AEBs bestellt!
Leider ist es so, dass die reinen Einkaufsbedingungen in diesem Falle leider gar nichts bringen und keinen Ersatz für keine Rahmenverträge sind. Es gilt die „Knock-out-Regel“: Die Einkaufsbedingungen heben sich rechtlich „gegen“ die Verkaufsbedingungen des jeweiligen Lieferanten auf. Diese Bedingungen gelten nur, wenn sie explizit in Rahmenverträgen bestätigt werden. Und müssen dabei „verhandelt“ werden, so dass ein rechtlich einwandfreier Individualvertrag entsteht. Ansonsten gilt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).

Eine Bestellung ist ein einmaliger Kaufvorgang. Entweder werden konkludente Willenserklärungen abgegeben, indem die Bestellung 1:1 dem Angebot entspricht. Aber schon, wenn die Menge(n) oder Termine sich in der Bestellung vom Angebot unterscheiden, wird der Vertrag erst mit der entsprechenden Auftragsbestätigung des Lieferanten rechtlich verbindlich.
Es gibt keinerlei Verpflichtung für den Lieferanten, weitere Aufträge anzunehmen. Es gibt auch keinerlei Preisvereinbarung für eine weitere Bestellung 🡺 Versorgungssicherheit sieht anders aus.
Ein Lieferant ist freier Unternehmer und kann Bestellungen ablehnen, daher ist eine Einzelbestellungen ohne Rahmenvertrag oft nicht ausreichen.
Es ist immer wieder erstaunlich, wieviel Verblüffung dieser Satz hervorruft.
Man versteht gerade noch, wenn ein Lieferant wenig Kapazität und lange
Lieferzeiten hat. Auch Preiserhöhungen kennt man. Aber dann ist halt „der
Einkauf gefordert“.
Dass ein Lieferant Aufträge komplett ablehnen kann, oder auch sogenannte „Abwehrangebote“ oder „Abwehrauftragsbestätigungen“ senden kann, darüber denken nur wenige nach. Ja und ein freier Unternehmer kann sein Unternehmen jederzeit schließen, wenn es keine Rahmenverträge und keine Auftragsbestätigungen gibt, die den Lieferanten zu weiteren Lieferungen rechtlich verpflichtet.
Und noch etwas, was oft für Verblüffung sorgt: dass ein Einkauf eine Lieferantenbereinigung vornimmt und Bedarfe bündelt, das kennt man.
Es kann aber auch im Vertrieb eine “Kundenbereinigung” geben: welcher Kunde bekommt Kapazität und welcher nicht? Die Preise können entsprechend justiert werden, das fällt im Vertrieb unter den Begriff PRICING. Davon sollte ein Einkäufer mal gehört haben. Ein sehr umfassendes Nachschlagewerk dazu:
Pricing: Die letzten Schätze heben - Gewinnsteigerung durch Preismanagement in B2B-Unternehmen - Lettmann, Siegfried - Amazon.de: Bücher
Rahmenbestellungen werden meist für ein Jahr geschlossen. So ist zumindest für einen gewissen Zeitraum die Versorgung gesichert und durch die Bündelung des Bedarfes können meist bessere Konditionen erlangt werden. Aber auch hier sind oft nicht alle Einzelheiten geregelt und es wird auf Basis von AEBs bestellt. Daher ist bei wichtigen Kooperationen oft ein Rahmenvertrag mit dem Lieferanten empfehlenswert.
Was muss also in einem Rahmenvertrag geregelt werden?
Als erstes eine Lieferverpflichtung für den Zeitraum, den der Lieferant liefern
soll. Dieser geht oft über den der jeweiligen Rahmenbestellung hinaus und kann z.B. der geplante Produktionszeitraum für ein Serienprodukt sein. Dies sichert die Verfügbarkeit generell ab, so dass keine Aufträge mehr abgelehnt werden können.
Hier kann auch geregelt werden, welche Abkündigungszeiträume für Bauteile gelten, welche Lagermengen der Lieferant also in jedem Falle immer vorhalten muss.
Darüber hinaus werden Mengengerüste inkl. Staffelpreisen, Produktions- und Liefermengen sowie Lieferzeiten fixiert. So kann die Verfügbarkeit bei schwankenden Bedarfen sichergestellt werden.
Neben generellen Preisvereinbarungen kann hier auch eine Regelung getroffen werden, auf welcher Basis der Preis sich verändern kann und wie Preise für die jährlichen Rahmenbestellungen zustande kommen.
Oft „der blinde Fleck“ in Rahmenverträgen: die Ersatzteile
Jetzt fehlen noch die Ersatzteile: wie lange und mit welchen Losgrößen und
zu welchen Preisen müssen Ersatzteile geliefert werden?
Es bietet sich an, Rahmenverträge „durchgängig“ aufeinander abzustimmen, das heißt die Konditionen des Kundenvertrages wird auf die Einkaufsrahmenverträge „heruntergebrochen“ um keine Lücken entstehen zu lassen.
Bevor der Vertrieb jeweils einen Vertrag mit dem Kunden abschließt, macht ein Review mit dem Einkauf Sinn. Speziell die Themen Verbindlichkeit vom jeweiligen Forecast, Lieferlosgrößen und Lieferzeiten, Vertragslaufzeit und Ersatzteilversorgung müssen sauber aufeinander abgestimmt sein. Und der Einkauf muss in diesem Rahmen die Zielpreise erreichen können, damit ein Projekt überhaupt wirtschaftlich sein kann.
In der Automotive findet das meist im Zusammenhang mit Nominierungen statt. Wobei ich es meist so erlebt habe, dass der Einkauf vorher nicht viel gefragt wird, sondern knackige Rahmenbedingungen vom Automotive Tier 1 Kunden vorgegeben und vom Vertrieb „durchgereicht“ werden. Du ahnst schon, dann ist wieder mal „der Einkauf gefordert“ …
Wahrscheinlich ist Dir der Begriff LQV oder auch QSV geläufig, dies ist oft ein Anhang zu einem Rahmenvertrag. Hier werden zusätzlich zu der Sicherstellung und Regelung der Liefermengen, Losgrößen und Preise die Qualitätsthemen geregelt.
Dies sind beispielsweise:
- erforderliche Anlieferqualität, z.B. in ppm?
Allgemeine Einkaufsbedingungen können in einen Individualvertrag eingebunden werden. Natürlich so, dass einzelne Punkte verhandelt und geändert werden. Der Lieferant kann ebenso seine allgemeinen Verkaufsbedingungen einbringen, soweit sich einzelne Bedingungen nicht widersprechen. Sollte das auch nach Unterzeichnung immer noch vorkommen, heben sich die widersprüchlichen Passagen auf und es gilt dafür wieder das Bürgerliche Gesetzbuch.
Die besten Verträge helfen nichts, wenn man diese nicht findet und keine Übersicht über das gesamte Vertragswesen hat. Ich kenne genügend Beispiele von Firmen, wo die Originale „irgendwo“ in den Fachabteilungen liegen. Der Einkauf hat dann oft Kopien ohne die kompletten Unterschriften.
Die bisher praktisch am besten umgesetzte Lösung habe ich in einer Firma gesehen, bei der alle Verträge als pdf-Dateien in SAP im jeweiligen Lieferantenstamm abgelegt wurden. Und zwar die komplett unterschriebenen und damit gültigen Dokumente. Das ist sehr angenehm und auch beruhigend, wenn ein Audit ansteht. Oder wenn es irgendwelche Streitereien mit Lieferanten gibt und man wissen will, wie genau der Vertrag mit dem Lieferanten aussieht.
Es gibt Lösungen, mit denen Dokumente abgelegt werden können und darüber hinaus automatische Erinnerungs-E-Mails generiert werden, rechtzeitig, bevor ein Vertrag ausläuft oder sich automatisch verlängert z.B. das Dokumentensystem Matrix42. So entstehen keine Lücken, in denen es dann keine gültigen Rahmenverträge gibt. Außerdem kann so immer rechtzeitig geprüft werden, ob ein Vertrag gezielt auslaufen, verhandelt, angepasst oder gekündigt werden soll, bevor er sich z.B. automatisch um ein weiteres Jahr verlängert.
Zum Abschluss noch eine Checkliste:
Du hast gerade Schwächen bei Deinen Rahmenverträgen entdeckt?
Wir unterstützen dich gern dabei, Struktur und Transparenz zu schaffen und so Versorgungssicherheit herzustellen und Geld zu sparen.